“Kaffee-“Fahrt durch Sichuan, Südwest-China

Um dem Ansturm auf Shanghai während des Nationalfeiertags am 1. Oktober und der darauf folgenden Ferienwoche zu entflieh(g)en, schlossen wir uns einer chinesischen Reisegruppe auf einer Entdeckungsreise durch die Provinz Sichuan im Südwesten Chinas an.

Tag 1 (01.10.2007)

Nach 3 Stunden Flug wurden wir mit einem Shuttle-Bus vom Flughafen in Chengdu zu unserem noblen Hotel – leider nur für die erste Nacht – gebracht. Die Zubringerstraße glich einem Slalom-Parcours, da sich mitten auf der Straße die Brückenpfeiler des darüber liegenden Expressways befanden. Wir haben den Elchtest bestanden!
Das Badezimmer unserer Unterkunft war komischerweise nur durch eine Glaswand vom restlichen Raum abgetrennt.
Den ersten Kontakt mit sichuanischem Essen besiegelten wir vorsichtshalber mit dem ein oder anderen Reisschnaps, der uns zu diesem Zeitpunkt noch nicht wirklich mundete.
Tag 2 (02.10.2007)

5 Uhr morgens erschien den Reiseveranstaltern die richtige Zeit um uns 6 Deutsche aus dem Bett zu klopfen. Nach einer erfrischenden Dusche und einem morgendlichen “Sicherheits-Schnaps”, begaben wir uns bei strömendem Regen pünktlich um 6 Uhr in unseren Reisebus. Dort gab man uns dann eine gute Stunde Gelegenheit uns mit allen technischen Spielereien (z.B. manuelle Fensterheber, abgebrochene Lehnenverstellung) unseres Reisegefährts auseinanderzusetzen, bis kurz nach 7 Uhr die ersten chinesischen Reisegäste vorgefahren wurden.
Vermutlich war unser super-cooler Busfahrer früher Taxifahrer in Shanghai, da er sich erstens gut durch den Verkehr schlängelte und sich zweitens bestens mit der Bedienung der beiden installierten Hupen auskannte. Da die “Überland-Hupe” eine unheimlich starke Geräuschentwicklung mitsamt 1000fachem Echo verursachte, war uns leider auch nach einem zweiten Reisschnaps kein Nickerchen gestattet.
Direkt vor Chengdu türmten sich bereits die ersten Berglandschaften auf und wir durften den zweitgrößten Staudamm Chinas aus dem Bus heraus betrachten.
Unser Reiseführer erzählte die ganze Fahrt lang irgendwelche Geschichten, die uns Zhi glücklicherweise recht knapp zusammenfasste. So erzählte er beispielsweise, dass die Männer bei den an der Grenze zu Tibet lebenden Xan-Chinesen die ärmsten Schweine sind, weil sie gegenüber ihrer Frau erstens nichts zu sagen haben und zweitens meist nicht einmal arbeiten dürfen – das ist den Frauen vorenthalten! (Naja, was ist daran so schlecht?) Für angeblich prüde chinesische Verhaltensweisen, ging unser Reiseleiter gleich mal in die Vollen als er die Frauen im Bus fragte, ob sie “schon berührt wurden” und wenn ja, “von wem”! Er rechtfertigte dieses aufdringliche Handeln damit, dass es unter Xan-Chinesen eine ganz übliche Frage sei. “Da weißte Bescheid, Schätzilein!”
Darüber hinaus liebte es unser Reiseleiter vor Publikum zu singen. So trällerte er stündlich mindestens ein Lied aus seinem volkstümlichen chinesischen Musik-Repertoire, wofür er jedes Mal reichlich Applaus kassierte.
Unser Busfahrer blühte mit der aufgehenden Sonne so richtig auf und setzte zu äußerst waghalsigen Überholmanövern in uneinsehbaren Kurven neben dem Abgrund an. Als sei das nicht schon genug, pflegte er auch regelmäßig auf gleicher Höhe mit dem zu überholenden Bus gemütlich noch einen Gang hoch zu schalten um seinen Spritverbrauch zu senken.
Nach ca. 10stündiger Busfahrt, erreichten wir unser Hotel für diese Nacht auf 3500m Höhe. Abends ging es dann zu einer tibetanischen Tanzshow, für die wir gleich mal extra zur Kasse gebeten wurden.

Tag 3 (03.10.2007) – Zhujiaogou – Tag der deutschen Einheit

“Natur pur” lautete das Motto unseres dritten Reisetages. Man chauffierte uns in den Nationalpark Zhujiaogou, der den Titel “UNESCO-Weltnaturerbe” tragen darf oder ihn einfach trägt (maybe). Zwar säumten Werbeschilder mit Pandabären den Weg in die grüne Oase, jedoch begegnete uns dort keines dieser “süßen” Tierchen. Leider genossen mit uns nach Angaben unseres vertrauenswürdigen (maybe) Reiseleiters 3,5 Mio. weitere Menschen diese idyllische Seenlandschaft inmitten der über 3500m hohen Berge, sodass man auf den Gehwegen schön vorwärts geschoben wurde. Bis auf die überwältigenden Menschenmassen ist der Nationalpark mit den “Plitvicer Seen” in Kroatien vergleichbar – mit dem feinen Unterschied, dass die Plitvicer Seen von 900.000 Besuchern im Jahr (!) besichtigt werden. Aber die Angaben unseres Reiseleiters sind wie des Öfteren äußerst fragwürdig. Nach unseren Schätzungen und einer 20minütigen Durchlaufratenbestimmung, befanden sich an diesem Tag etwa 200.000 Menschen in diesem Nationalpark. Um ihre Reisegruppen um sich zu versammeln, benutzten alle Reiseleiter kleine Teleskop-Fahnen. Da es diese allerdings nur in drei verschiedenen Farben gab, kann man sich das Chaos ungefähr vorstellen. 😉

Tag 4 (04.10.2007) – UNESCO-Weltnaturerbe “Huanglong”

Wie jeden Tag hieß es auch heute wieder: 5:45h Aufstehen, 6:20h Frühstück und um 6.50h Abfahrt. Um das chinesische Frühstück gut zu verdauen, ölten wir unseren Magen vorsichtshalber mit einem Schluck 52%igen Reisschnaps, der in uns zu diesem Zeitpunkt kaum noch einen Brechreiz verursachte. Unserem Busfahrer hätten wir vielleicht auch einen anbieten sollen, denn dieser überholte auf den unmöglichsten Passstraßen mal wieder alles, was auch nur 1 km/h langsamer war als er. Aber da man hier wie auf italienischen Bergstraßen vor jeder Kurve brav hupt, fühlten wir uns eigentlich ganz sicher. 😉
Das frühe Aufstehen hatte sich heute besonders gelohnt, da wir um 7.30 Uhr gleich mal in einem “staatlichen” Mega-Juwelierladen Halt machten – zusammen mit 100 anderen Reisebussen. Die Kaffeefahrt nahm ihren Lauf. Im Verlauf des Vormittags suchten wir weitere Geschäfte auf, da das letzte Stück der Passstraße angeblich wegen Glättegefahr (bei 20 Grad Außentemperatur) erst ab 11 Uhr geöffnet sei.
Auf den typisch chinesischen Toiletten auf den “Rastplätzen”, zeigten uns chinesische Urlauber, wie man gleichzeitig telefonieren, rauchen und sein Geschäft auf einem Plumps-Klo verrichten kann.
Das Hauptziel des heutigen Tages war ein weiteres UNESCO-Weltnaturerbe: der Nationalpark Huanglong. Neben zahlreichen Wasserfällen bilden Kalzitbecken in fünf verschiedenen Farben die Hauptattraktion des Parks.

Tag 5 (05.10.2007)

Heute morgen gaben sich nur Jan und ich auf der letzten Sitzreihe die Ehre, da es den anderen sonst schlecht geworden wäre – “nur die harten kommen in den Garten”! Wir hatten richtig Glück, da der Chinese, der neben uns saß scheinbar während der Woche schon einmal geduscht hatte. Unser Reiseleiter stellte uns heute vor die Wahl, ob wir zu einem Extra-Preis von noch mal ca. 180 Yuan (17 Euro) ein weiteres Weltkulturerbe besichtigen möchten!? Da die Mehrheit der Reisegruppe leider dagegen war, fiel dieser Ausflug ins Wasser und wir wurden umgehend zu einer institutionalisierten Verkaufsshow für Messer und Küchengeräte gefahren. Naja, wen interessiert schon ein Weltkulturerbe, wenn auch eine Verkaufsshow zur Auswahl steht!?
Am Abend fuhren wir zurück in das luxuriöse Hotel in Chengdu. Zwar stand diese Station bereits auf unserem Reiseplan, jedoch wusste der Reiseleiter bis kurz vor Ankunft nicht, in welchem Hotel wir heute Nacht schlafen werden (maybe).

Tag 6 (06.10.2007)

Nur vier von ursprünglich sechs bis in die Haarspitzen motivierten deutschen Bilderbuch-Touristen machten sich letztendlich auf die letzte Etappe unserer Reise. Es handelte sich dabei um den harten Kern, sowie um Lukas und Zhi. 🙂 Harry und Max verblieben im noblen Hotel in Chengdu und machten nach einem ausgiebigen Besuch in der Keramikabteilung die Chengduer Innenstadt unsicher. Auf ihrer Erkundungstour entdeckten sie u.a. gehäutete lebendige Frösche – na “Prost Mahlzeit”!
Heute morgen erwartete uns eine neue Reisegruppe mit neuem Reiseleiter. Auch er sang fröhlich seine Lieder und erzählte irgendwelche unsinnigen Geschichten um die erneut sehr lange Busfahrzeit totzuschlagen.
Das Hauptausflugsziel dieses Tages (neben reichlich Verkaufsshops) war der größte Sitting-Buddha der Welt. In 90 Jahren mühsamer Kleinstarbeit wurde dieser in den Sandstein gemeißelt. Allein einer seiner Finger hat die Größe unseres Reisebusses.
Vor einem der Tempel die wir heute besichtigten, wurden wir Zeugen der chinesischen Erziehungsmethoden: eine Mutter gab ihrem kleinen Sohn eine brutale “Schwingfotze” und schubste ihn dann über die “Geister-Türschwelle” am Eingang des Tempels, sodass er noch schön hinfiel. Der kleine wurde förmlich in den Tempel geprügelt.
Abends wurde uns dann für weitere ca. 20 Euro eine Blitz-Kultur-Show über Sichuan geboten. We proudly present: Sichuan Changing-Face-Oper, Kung-Fu Show, Schattenspiel, Clowns, artistische Vorführungen, etc. Bereits kurz vor Ende der Show ergriff die Chinesen wieder der berühmte “Futterneid” und sie drängten alle zu den Ausgängen. Als Lukas und ich unsere Reihe etwas blockierten, da auf den Gängen ohnehin nichts vorwärts ging, drehten die Chinesen in unserer Reise förmlich durch. Sie versuchten uns wegzudrängen um vorwärts zu kommen und tippten uns ständig an. Aber wie gesagt, auf dem Gang war sowieso Stau. Allerdings verpassten diese armen Chinesen dann scheinbar tatsächlich ihren Reisebus vor der Tür! *haha*

Tag 7 (07.10.2007)

Mount Emei war das heutige Etappenziel. Auf dem sehr idyllischen Berg befindet sich eine riesige Tempelanlage mit verschiedensten Baustilen. Der Hochnebel verlieh dem Ort eine äußerst mystische Stimmung. Lassen wir die Kommerzialisierung dieses Reiseziels sowie die Menschenmassen an diesem Platz einmal außer Acht, ist Mount Emei ein sehenswertes Ausflugsziel und ein Ort der Besinnung.

Resumé:

– Chinesen werden zwar unheimlich hektisch und gestresst, wenn sie den Bus oder das Theater nicht sofort verlassen können, jedoch kann einen Chinesen nichts beirren, wenn er in Seelenruhe eine achtspurige stark befahrene Schnellstraße überquert als würde er durch einen Park schleichen.

Essen in Sichuan:
Irgendwo soll es in Sichuan das beste Essen Chinas geben. Wir haben dieses Schlaraffenland leider nicht gefunden. Wir waren schon froh, wenn wir ein Gericht vor uns hatten, das “neutral” schmeckte.
Wir wussten dafür immer genau, was es zum Frühstück, zum Mittag- und Abendessen gab: jeden Tag die gleiche… n Leckereien! V.a. das typisch chinesische Frühstück mit gedünsteten Teigbatzen und äußerst scharfen Kräutern war ein kulinarischer Höhepunkt jeden Tages, der einen Reisschnaps zur Folge haben musste – manchmal auch zwei.

Manieren:
– F E H L A N Z E I G E –
Drängeln, Rülpsen, Spucken, etc. war an der Tagesordnung. Davon darf man sich auch am Essenstisch nicht den Appetit verderben lassen.

Die schlausten Sprüche unseres Reiseleiters:
“Um zwei Uhr gibt’s Essen. Wenn ihr jedoch wirklich Hunger habt, dann könnt ihr hier etwas kaufen!”
“Mit dem Schlüssel könnt ihr eure Zimmertüre zusperren!”

Bescheid…
… wusste keiner! (Außer wir natürlich!)

Eine Reaktion zu ““Kaffee-“Fahrt durch Sichuan, Südwest-China”

  1. Jan Wieseler

    Guten Tag

    Im Rahmen einer Arbeit für mein Studium an der FH Osnabrück beschäftige ich mich mit dem Thema “Kulturschock China !?”.
    Daher suche ich noch einige Personen, die ein Auslandssemester oder ähnliches in China verbracht haben und mir nun einige Fragen zu dem Thema beantworten können.
    Es wäre super, wenn du dazu bereit bist und mir eine Antwortmail schreibst.

    MfG

    Jan Wieseler

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